Die Antriebskette ist, allen technischen Innovationen zum Trotz seit ihrer Erfindung Ende des 19. Jahrhunderts, bis heute am Fahrrad nicht wegzudenken. Innovative Alternativen wie der Gates-Riemen haben bisher eher Exotenstatus. Nun hat Autozulieferer Schaeffler einen Bike-by-Wire-Antrieb zur Serienreife gebracht.

Schaeffler Free Drive: Die Infos

Klassische Fahrradketten sind eine technisch dermaßen geniale und solide Lösung, dass sie bis heute an den allermeisten Velos Verwendung finden. Zwar gibt es moderne Alternativen wie den Gates-Riemenantrieb, aber auch dieser vermag bestimmte Probleme, etwa beim Bau großer Lastenräder, nicht zu lösen. Für genau diese neue Fahrzeuggattung wurde das kettenlose Antriebssystem Free Drive entwickelt.

Autozulieferer Schaeffler AG (FAG, LuK, INA) und der Zweirad-Antriebs-Spezialist Heinzmann GmbH hatten auf der Eurobike 2021 ihren Free Drive, einen ketten- und riemenlosen Fahrradantrieb vorgestellt, bei dem die Pedalkraft elektrisch zum angetriebenen Rad übertragen wird. Jetzt gehen die ersten Lastenradflotten damit an den Start.

Beim Free Drive erzeugt ihr elektrische Energie, die via Kabel zum Antrieb geleitet wird.
# Beim Free Drive erzeugt ihr elektrische Energie, die via Kabel zum Antrieb geleitet wird.

Neue Antriebe für Elektro-Lastenräder

In Großstädten sieht man sie bereits immer häufiger: Elektro-Lastenräder sorgen dafür, dass Lebensmittel, Postsendungen oder Ärztinnen schnell und klimafreundlich zum Ziel kommen. Laut der gerade erschienenen EU-Cycling Strategy soll der Radverkehr europaweit bis 2030 sogar verdoppelt werden. Reichlich Anlass für technische Innovation. Dies scheint zunehmend auch große Player aus der Automobilbranche anzulocken.

In den Städten der Zukunft müssen wir Mobilität neu denken. Elektrische Lastenräder schließen dabei eine wichtige Lücke beim Transport auf der letzten Meile.

Matthias Zink, Vorstand Automotive Technologies der Schaeffler AG, schaut nach vorn: Mit Free Drive setzt das Unternehmen auf einen stetig wachsenden Markt. Im Jahr 2021 werden mit elektrischen Lastenrädern weltweit 630 Millionen US-Dollar umgesetzt, neun Prozent mehr als im Vorjahr. Bis 2032 soll der Markt auf 2,14 Milliarden US-Dollar anwachsen.

Schaeffler und Heinzmann hatten das innovative Antriebssystem im Sommer 2021 vorgestellt und seitdem weiterentwickelt. Nach erfolgreichen Feldtests im vergangenen Jahr läuft nun die Produktion für die ersten Fahrzeugflotten an. Dazu baut Schaeffler seine Fertigungskapazitäten aus. Erster Kunde für den Antrieb mit hocheffizienter Kraftübertragung ist die CIP Mobility GmbH. Mit den mocci Smart Pedal Vehicles setzt das Unternehmen neue Maßstäbe für die gewerbliche Mobilität im urbanen Raum und in Industriegebieten: effizient und nachhaltig. Als innovative Mikromobilitätsplattform entwickelt, bricht mocci mit vielen Konventionen bestehender Industrien und vereint intelligente Hardware, intelligente Software und innovative Materialien. „Mit der Partnerschaft von Schaeffler und CIP stärken wir den Forschungs- und Produktionsstandort Deutschland durch Innovationskraft und Leistungsfähigkeit“, sagt Mitgründer Dimitrios Bachadakis.

Keine Kette, kein Verschleiß

Der Free Drive ist ein optimal aufeinander abgestimmtes Antriebssystem bestehend aus einem Pedalgenerator, einem Antriebsmotor, kundenspezifischen Batterielösungen und einem „Human-Machine-Interface“ (HMI), das von Heinzmann vertrieben wird.

Herzstück des Systems ist der Pedalgenerator von Schaeffler: Er erzeugt beim Treten einen gleichmäßigen mechanischen Widerstand und liefert die dabei gewonnene Energie an einen Elektromotor am Hinterrad. Der Generator ist so ausgelegt, dass beim Treten deutlich weniger Muskelkraft aufgewendet werden muss als bei herkömmlichen, mechanischen Antrieben – ein wesentlicher Vorteil gerade bei langen Liefertouren mit Lastenrädern. Überschüssige Energie wird im Akku zwischengelagert und bei Bedarf abgerufen. Insgesamt stellt der Free Drive eine Antriebsleistung von 250 Watt zur Verfügung.

Der Clou Free Drive: Er kommt ohne mechanische Antriebskomponenten wie Kette, Zahnkranz, Ritzel oder Riemen aus. Weniger mechanische Teile bedeuten auch weniger Verschleiß und seltenere Wartung. Davon sollen vor allem Betreiber von Lastenradflotten profitieren, denn ihre Räder wären so länger im Einsatz und würden deutlich seltener ausfallen.

Positiver Nebeneffekt des kettenlosen Antriebs: Mit Kettenfett verschmutzte Hosenbeine gehören der Vergangenheit an.

Designfreiheit durch elektrische Kraftübertragung

Während herkömmliche Fahrradantriebe durch die mechanische Verbindung zwischen Pedalen und Motor einem starren Konstruktionsschema folgen müssen, ist der Free Drive – wie der Name schon sagt – wesentlich freier. „Mit dem Antrieb ohne Kette sind völlig neue Fahrradarchitekturen und Pedalkonfigurationen möglich, auch für Anwendungen mit drei oder vier Rädern, mit oder ohne Dach“, erklärt Jochen Schröder. Das Schalten oder Wechseln der Betriebsmodi funktioniert dank des digitalen Bike-by-Wire-Antriebs per Software. Dazu kommunizieren alle Komponenten des Heinzmann-Systems über eine CAN-Verbindung miteinander.

Statt eines mechanischen Antriebsstrangs verwendet der Free Drive einfach einen Pedalgenerator, der Strom erzeugt.
# Statt eines mechanischen Antriebsstrangs verwendet der Free Drive einfach einen Pedalgenerator, der Strom erzeugt.

mocci setzt auf Free Drive

Die Smart Pedal Vehicles von mocci sind eine innovative, individuelle und nachhaltige Lösung für Unternehmen, die im urbanen Raum flexibel, schnell und umweltfreundlich agieren wollen. Dank Free Drive bieten sie zudem ein völlig neues Fahrerlebnis: individuell anpassbar, sicher und voll vernetzt. Eine weitere Innovation: Statt auf Stahl- oder Aluminiumrahmen verwendet mocci, ähnlich dem igus:bike eine Konstruktion aus einem recycelbaren und extrem robusten Kunststoff. Die Herstellung von Vorder- und Hinterrad sowie dem Rahmen aus nur einem Strukturbauteil im skalierbaren Spritzgussverfahren verursacht zudem rund 68 Prozent weniger CO₂-Emissionen als die Produktion eines herkömmlichen Aluminiumrahmens.

Die innovativen Kunststoff-Räder von mocci haben den Free Drive bereits bestellt.
# Die innovativen Kunststoff-Räder von mocci haben den Free Drive bereits bestellt.

Bike-by-Wire, zukunftsträchtige Technologie oder Spielerei – was meinst du?

Infos und Bilder: Schaeffler
  1. benutzerbild

    Marcus

    dabei seit 01/2022

    Schaeffler Free Drive für E-Bikes: Goodbye Fahrradkette

    Die Antriebskette ist, allen technischen Innovationen zum Trotz seit ihrer Erfindung Ende des 19. Jahrhunderts, bis heute am Fahrrad nicht wegzudenken. Alternativen wie der Gates-Riemen haben bisher Exotenstatus. Nun hat Autozulieferer Schaeffler einen Bike-by-Wire-Antrieb zur Serienreife gebracht.

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    Schaeffler Free Drive für E-Bikes: Goodbye Fahrradkette

    Bike-by-Wire, zukunftsträchtige Technologie oder Spielerei – was meinst du?
  2. benutzerbild

    jekyll1000

    dabei seit 12/2022

    Das System halte ich - mit Ausnahme von richtig schweren und teuren Lastenrädern - für absoluten Käse. Der techn. Aufwand steht in keinem vernünftigen Verhältnis zum Nutzen. Eine Kettenschaltung hat Verluste von 1-3% und Getriebe von 4-8%. El. Großgeneratoren erreichen bis zu 98 % Wirkungsgrad und gleiches gilt für einen Elektromotor. Ein perfektes Free Drive wäre damit im Idealfall auf dem Niveau einer Kettenschaltung und das zu einem vielfachen des Preises einer solchen.
    Und das mit der Wartungsfreiheit ist auch so eine Sache: Die Pflege der mech. Teile wird durch Softwareprobleme und regelmäßige Updates des Antriebs ersetzt. Und auch Elektronik kann kaputt gehen.

  3. benutzerbild

    01goeran

    dabei seit 09/2022

    Der techn. Aufwand steht in keinem vernünftigen Verhältnis zum Nutzen.
    Sehe ich etwas anders, denn der große Vorteil ist, dass man unabhängig von der Kette ist und damit den Raum zwischen Kurbel und Antriebsachse individuell gestalten/befüllen kann.

    In dem obigen Beispiel ist da der Akku untergebracht, was mit Kette nicht so ideal gelöst werden könnte.

    Auch gäbe es die Möglichkeit von Allradgetriebenen Rädern.

    Ob das am Ende noch ein "Fahrrad" ist, steht dann auf einem anderen Blatt.

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