130 Euro in Utrecht – 2,30 Euro in München. So unterscheiden sich Ausgaben für den Radverkehr pro Kopf in Europa. Das EU-Parlament will nun, dass sie sich angleichen. In einer kürzlich vorgelegten Resolution fordert das EU-Parlament die Europäische Kommission und die EU-Mitgliedsstaaten auf, die wichtige Rolle der Fahrradindustrie für die Wirtschaft Europas, deren künftiges Wachstum sowie die Bedeutung des Fahrrads für das Erreichen der EU-Klimaziele anzuerkennen. Das Papier gilt als Wendepunkt in der Förderung des Fahrrads als wichtiger Verkehrsträger und Hebel für eine erfolgreiche Verkehrswende. Darin enthalten sind unter anderem Forderungen nach einer Mehrwertsteuersenkung für Fahrräder, Forschungsgelder für die Fahrradindustrie, einer Stärkung des Wirtschaftsstandorts Europa und vieles mehr.

Es ist ein historischer Moment: Zum ersten Mal in der Geschichte Europas bekommen wir eine wahrhaftige Fahrradpolitik!

Mit diesem Zitat der Autorin des EU Cycling Strategy Reports, Karima Delli verkündet das Europäische Parlament die Veröffentlichung der Resolution zur Entwicklung einer interinstitutionellen europäischen Radverkehrsstrategie. Das Papier ist rechtlich nicht bindend, aber dafür umso deutlicher in seiner Formulierung: Die mit dem Fahrrad im Straßenverkehr zurückgelegten Kilometer sollen bis zum Jahr 2030 verdoppelt werden. Wie die Mitgliedsstaaten das schaffen sollen, erfahrt ihr im Folgenden.

Mehrwertsteuersenkung für Fahrräder, E-Bikes und Serviceleistungen

Ein Ansatz der vorgelegten Resolution dürfte Industrie wie Fahrradfahrer:innen besonders freuen: Dieser sieht eine Senkung der Mehrwertsteuersätze für den Verkauf und Verleih von Fahrrädern, Lastenrädern sowie E-Bikes vor. Ebenso sollen am Fahrrad erbrachten Serviceleistungen steuerlich begünstigt werden. Der Weg für die Anpassung der Mehrwertsteuer sei bereits Ende 2021 seitens der EU geebnet worden, heißt es außerdem in dem Papier. Der vollständige Text der Resolution kann hier eingesehen werden: EU Cycling Strategy Resolution.

Forschungsgelder für die Fahrradindustrie

Neben der Senkung der Mehrwertsteuer solle zudem die Industrie bei ihren Investitionen in Forschung und Entwicklung monetär unterstützt werden. Weiter sind höhere Investitionen in die Radinfrastruktur zu tätigen, heißt es im vorgelegten Dokument des EU-Parlaments. Manuel Marsilio, Geschäftsführer von CONEBI, dem europäischen Dachverband des ZIV, und Präsident Erhard Büchel begrüßen dies:

Die Fahrrad-, E-Bike-, Teile- und Zubehörindustrie in Europa begrüßt die Aufforderung des Europäischen Parlaments an die Europäische Kommission und die EU-Mitgliedstaaten, eine EU-Radverkehrsstrategie zu entwickeln. Dies ist ein wegweisender Appell für das stetige Wachstum des gesamten Sektors und eine klare Anerkennung seiner wichtigen Rolle im Mobilitätsökosystem der EU-Industriestrategie. Wir möchten der Vorsitzenden des TRAN-Ausschusses, Karima Delli, danken, dass sie als Erste von der Bedeutung dieser Resolution überzeugt war, und wir freuen uns auf einen offenen Dialog mit der Europäischen Kommission und den nationalen Regierungen in Zusammenarbeit mit unseren Mitgliedern und Partnern, die sich für den Radverkehr einsetzen.

Video: Auf dem Weg zur EU Cycling Strategy

 

Wirtschaftsstandort „Made in Europe“ stärken

In der nahezu einstimmig beschlossenen Resolution fordert das Europäische Parlament die Kommission und die EU-Mitgliedstaaten überdies auf, die Fahrrad- und Komponentenproduktion „Made in Europe“ zu fördern und so die Konkurrenzfähigkeit der europäischen Industrie zu unterstützen. Dazu gehöre die Überbrückung von Finanzierungslücken zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor, die Unterstützung bei der Verlagerung von Lieferketten, die Sicherung fairer Wettbewerbsbedingungen sowie die Förderung hochwertiger Arbeitsplätze, die Schaffung von Fahrradclustern und die Verbesserung in der Ausbildung von Fachkräften.

Neue rechtliche Einstufung von E-Bikes – und S-Pedelecs?

Das EU-Parlament betont außerdem das Potenzial von Pedelecs zur Förderung des Radverkehrs in Europa und stellt fest, dass E-Bikes mit einer Unterstützung von bis zu 25 km/h eine angemessene und sichere rechtliche Einstufung in der europäischen und nationalen Gesetzgebung benötigen, um ihre Nutzung und Verbreitung nachhaltig zu fördern. Von einer rechtlichen Einstufung von S-Pedelecs, bis 45 km/h schnellen E-Bikes mit Kennzeichen, ist zunächst nicht dir Rede. Bedauerlich, wo doch erst kürzlich Informationen zu Gesprächen zum Thema veröffentlicht wurden und unter anderem die Nutzung von Radwegen durch S-Pedelecs diskutiert wurde.

Zuletzt sieht die Resolution vor, dass die Kommission das Jahr 2024 als das Europäisches Jahr des Radverkehrs ausrufen soll. Eine Symbolik, die neben den ganzen konkreten Förderungsmaßnahmen durchaus auch eine gewisse Relevanz hat. Anke Schäffner, Leiterin Politik & Interessenvertretung beim ZIV bewertet die EU Cycling Strategy wie folgt:

„Diese Resolution sendet die klare Botschaft, dass das Europäische Parlament die Schlüsselrolle anerkennt, die die Fahrradindustrie in der Wirtschaft und Gesellschaft in der EU spielt. […] Das ist großartiger Rückenwind für unsere Bemühungen auf nationaler Ebene für das Fahrrad und für die wirtschaftliche Entwicklung unserer Branche. Wir werden weiterhin intensiv mit den politischen Akteuren und den relevanten Ministerien zusammenarbeiten, damit Deutschland ein Treiber für dieses vielversprechende Vorhaben auf europäischer Ebene wird.“

Verdopplung des Radverkehrs bis 2030 – realistisch, oder nicht?

Text: Laurenz Utech | Infos: Pressemitteilung Eropean Parliament Titelfoto Noralí Nayla, Unsplash.com

 

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