Nach einer Studie des US-amerikanischen Insurance Institue for Highway Safety (IIHS) erleiden Fahrradfahrer*innen bei Zusammenstößen mit SUV, Geländewagen für die Stadt, schwerere Verletzungen als bei Kollisionen mit herkömmlichen Pkw. Gründe hierfür dürften in den höheren Frontpartien dieser Fahrzeuge zu suchen sein.

Verkehrsunfälle mit SUV: Deutlich gefährlicher für vulnerable Verkehrsteilnehmende

SUV, „Sport Utility Vehicles“, sind als Modetrend der Kfz-Industrie Zwitterwesen mit dem Nutzwert eines Pkw und dem Aussehen von Geländefahrzeugen. Ihre Charakteristika sind, neben ihrem hohen Gewicht von nicht selten 2,5 Tonnen, eine höhere Silhouette und eine höhere Bodenfreiheit. Im Hinblick auf Verkehrsunfälle mit solchen Fahrzeugen bedeuten diese spezifischen Eigenschaften schlechte Nachrichten für Radfahrer*innen, wie eine Studie der US-Organisation IIHS nun auch wissenschaftlich belegt: Verletzungen durch Aufschlag auf den Boden – eine Hauptursache für Kopfverletzungen – sind bei Fahrrad-SUV-Unfällen mehr als doppelt so häufig zu beobachten wie bei Kollisionen von Fahrrädern mit Pkw klassischer Bauform:

„SUVs stoßen Radfahrer eher zu Boden, wo sie auch überfahren werden können, als dass sie auf der Motorhaube des Fahrzeugs landen. Das liegt wahrscheinlich daran, dass die höhere Frontpartie eines SUV den Radfahrer oberhalb seines Schwerpunkts trifft.“

Sam Monforts, Studienleiter IIHS

Statistiken zeigen: Deutlich mehr getötete Radfahrende

Die Zahl tödlicher Fahrradunfälle in den USA ist in den letzten zehn Jahren drastisch gestiegen: 2020 wurden 932 Radfahrerinnen und Radfahrer auf den Straßen der USA getötet, rund 33 % gegenüber einem Tiefstand von 621 tödlich verunfallten Radfahrenden im Jahr 2010. Ein Grund dafür könnte in der Dominanz von Pickups und SUVs in der US-Fahrzeugflotte sein. Untersuchungen zeigen immer wieder, dass diese größeren Fahrzeuge für Radfahrer gefährlicher sind als Pkw.

Auch hierzulande zeigt sich, auch durch den deutlichen Zuwachs an mit Fahrrädern und E-Bikes zurückgelegten Kilometern, eine Zunahme der Unfallzahlen insgesamt, sowie der im Straßenverkehr getöteten Radfahrenden von 470 im Jahr 2022 – über 25 % mehr als im Vorjahr.

Details der IIHS-Studie: Verletzungsbild und -schwere unterscheiden sich signifikant

Die Studie untersuchte detaillierte Unfalldaten von 71 Fahrradunfällen in Michigan, die vom Pedestrian Consortium des International Center for Automotive Medicine zusammengestellt wurden. An jedem Unfall waren ein Radfahrer im Alter von 16 Jahren oder älter sowie ein einzelner SUV oder Pkw beteiligt. Die Daten umfassten Polizeiberichte, medizinische Aufzeichnungen, Unfallrekonstruktionen und andere Informationen. Das IIHS nutzte diese Quellen, um zu analysieren, wie sich Verletzungen und andere Aspekte der Unfälle bei Autos und Geländewagen unterscheiden.

Erwartungsgemäß waren bei allen untersuchten SUV- und Pkw-Unfällen Verletzungen an den unteren Extremitäten der Radfahrenden häufig. Kopfverletzungen waren bei den schwersten Unfällen ebenfalls häufig, traten aber zusammen mit anderen Verletzungen des Rumpfes, des Bauches, der Wirbelsäule und der Gliedmaßen auf.

Insgesamt waren die Verletzungen bei SUVs um 55 Prozent höher bzw. gravierender als bei Unfällen mit Pkw.

Motorhaube oder Grill – gefährliche Alternativen

Die Aufzeichnungen zu 23 Autounfällen und 21 SUV-Unfällen enthielten Einzelheiten darüber, wie sich der Radfahrende nach dem Aufprall bewegte. Bei diesen Unfällen verursachten nur klassische Pkw Verletzungen, nachdem die Radfahrenden auf das Dach des Fahrzeugs geraten waren, und nur SUVs verursachten Verletzungen durch das Überfahren ihrer vulnerablen Unfallgegner.

Eine kleinere Gruppe von Unfällen enthielt Einzelheiten über den Teil des Fahrzeugs, der die Verletzungen des Radfahrenden verursacht hatte. Bei Pkw wurden die Verletzungen in der Regel durch Teile verursacht, die über die Front und das Dach des Fahrzeugs verteilt waren. Bei SUV wurden die Verletzungen in der Regel durch die Räder oder das Fahrgestell verursacht oder indem Radler zu Boden gestoßen wurden.

Der Unterboden, die Räder oder das Fahrgestell verursachten 82 Prozent der Kopfverletzungen bei den acht SUV-Unfällen. Im Gegensatz dazu verursachten das Dach, der obere Rahmen der Windschutzscheibe oder die Windschutzscheibe selbst alle Kopfverletzungen, die bei Pkw-Unfällen auftraten.

SUV überrollen Personen, Pkw nicht

Zusammengenommen deuten diese Ergebnisse darauf hin, dass SUVs Fahrradfahrende bei Unfällen häufig gewaltsam zu Boden stoßen, wo sie in der Folge überrollt werden können, bevor das Fahrzeug zum Stehen kommt. Selbst wenn eine radfahrende Person nicht überrollt wird, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie bei einem Unfall mit einem SUV durch einen Aufprall auf den Boden verletzt wird, wesentlich höher als bei einem Unfall mit einem Pkw.

SUV ebenfalls gefährlicher für Fußgänger*innen

Die Beobachtungen der neuen Studie unterscheiden sich von dem, was eine frühere Studie für SUV-Unfälle mit zu Fuß Gehenden des IIHS gezeigt hatte: Stößt ein SUV mit einem/einer Fußgänger*in zusammen, ist der direkte Aufprall auf Becken oder Brust für diese*n gefährlicher als bei einem Anprall mit einem Pkw. Das Risiko, einen Unfall mit einem SUV nicht zu überleben ist für Fußgänger*innen etwa dreimal so hoch, wie bei Unfällen mit klassischen Pkw.

Risiken für SUV-Fahrer*innen bei Kollision mit Fahrrädern

Ob bei den untersuchten Unfällen auch Insassen von SUV verletzt wurden, geht aus der Studie nicht hervor.

Toxischer Trend: SUV als Problem

Warum SUV auch aus vielen anderen Gründen besonders in Städten keine optimale Idee sind, zeigt dieses Video des in den Niederlanden lebenden Videobloggers „Not Just Bikes“:

Was sagst du zum ungebrochenen Boom von SUV und ihren Auswirkungen auf die Unfallfolgen?

Die Original-Studie findest du hier: Bicyclist crashes with cars and SUVs: injury severity and risk factors

Titelbild: Foto von Karl Köhler auf Unsplash
  1. benutzerbild

    jekyll1000

    dabei seit 12/2022

    Mit steigendem Durchschnittsgewicht pro Verkehrsmittel (2,5t pro Fahrer) ...

    Ein wenig Physik: E= ½∙m∙v²

    D.h. bei doppelter Geschwindigkeit vervierfacht sich die Bewegungsenergie. Deshalb ist auch die Forderung nach einer Regelgeschwindigkeit von 30 km/h innerorts so berechtigt.
  2. benutzerbild

    BigMaaaac

    dabei seit 04/2022

    auch SUVs lassen sich verletzungshemmenden designen.

    die Frage ist halt welche SUV haben welche Verletzung verursacht.
    wenn man dem Ammi ein europäisches SUV hinstellt sieht dieser in seinen Augen einen Kompaktwagen.

    oder warum sind die ersten Teslas wohl so breit smilie

    in Ballungsräumen, Kreuzungen usw Tempo runter.
    und KFZ Steuer endlich nach Gewicht/Leistung erfassen.

    Fahrradfahrer und Fussgänger verlieren eh immer im Duell gegen die Motordroschgen smilie

  3. benutzerbild

    baumhaus

    dabei seit 04/2023

    Ein wenig Physik: E= ½∙m∙v²

    D.h. bei doppelter Geschwindigkeit vervierfacht sich die Bewegungsenergie. Deshalb ist auch die Forderung nach einer Regelgeschwindigkeit von 30 km/h innerorts so berechtigt.
    Bei der Forderung zu einer Regelgeschwindigkeit von 30 km/h bin ich bei dir.

    Aber bitte nicht einfach wahllos eine Formel ranziehen um damit die eigene These zu stützen...
    Geht es um die Sicherheit der anderen Verkehrsteilnehmer ist der klassische Impuls die relevante Größe. Gewicht und Geschwindigkeit gehen beide linear in den Impuls ein: P = m * v
    Inwiefern der sich Impuls dann auf den Radfahrer, Fußgänger etc. überträgt (elastisch, unelastisch) ist dann wieder eine andere Frage.

    Oder habe ich hier einen Denkfehler? Dann gern korrigieren.
  4. benutzerbild

    BigMaaaac

    dabei seit 04/2022

    gibt nu ne englische Studie, das bei Radunfällen mit PKW vermehrt ROTE Fahrzeuge beteiligt sind.


    ?!? smilie

  5. benutzerbild

    Ruppie

    dabei seit 06/2023

    Am einfachsten ist es immer den Kontakt mit jeglicher Art von Fahrzeug im Straßenverkehr zu vermeiden, egal bei welcher Geschwindigkeit.
    Bestes Beispiel sind doch offen stehende Autotüren ;-)

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