Beim Wort „Tempolimit“ steigt, kulturell bedingt, des Deutschen Blutdruck. So sorgte eine Meldung der vergangenen Woche für Aufsehen, in der zwei große deutsche Nachrichtenseiten behauptet hatten, Amsterdam plane eine „Geschwindigkeitsbegrenzung für E-Bikes von 20 km/h“. Aber: Ist da überhaupt was dran? Wir sind der Sache einmal für euch nachgegangen.

Tempolimit für E-Bikes geplant? Was war da los?

Am 12.04.2023 meldete das Technikmagazin Heise, Amsterdam plane eine Geschwindigkeitsbegrenzung für E-Bikes auf 20 km/h. Dies wurde zwei Tage später ähnlich lautend und mit Bezug auf den Heise-Artikel vom Stern übernommen. Der Stern setzt dies sogar in direkten Bezug zur 25 km/h Grenze, oberhalb derer in Europa erlaubte Pedelecs ihre Elektrounterstützung abschalten müssen. Wohlgemerkt: Es handelt sich hierbei, in den Niederlanden, genau wie in Deutschland, nicht um eine zulässige Höchstgeschwindigkeit für diese Fahrzeuge – sondern lediglich um die gesetzlich festgelegte Abschaltgeschwindigkeit für den Motor. Weiter melden beide Artikel übereinstimmend, steigende Unfallzahlen, besonders unter Beteiligung von E-Bikes, seien der Auslöser für diese Überlegungen gewesen.

Die Fakten: Amsterdam will Unfallzahlen senken

Mit dem enormen Zuwachs an Fahrradfahrenden, nicht selten auf E-Bikes, kommt es gerade in großen Städten zu neuen Konflikten auf der nicht immer ausreichenden Fahrradinfrastruktur. Da bildet das Fahrrad-Eldorado Amsterdam offenbar keine Ausnahme: Ganz ähnlich wie in Deutschland werden in den Niederlanden in jüngerer Vergangenheit erheblich mehr E-Bikes verkauft, während die Unfallzahlen mit Beteiligung solcher Fahrzeuge ebenfalls um alarmierende 50 % zunahmen. Hierbei ist jedoch noch ungeklärt, ob diese Zunahme analog zum Zuwachs an Fahrrädern und damit gefahrenen Kilometern stattfindet oder ob auch eine relative Zunahme von Unfällen in der Gesamtstrecke vorliegt.

In einem Brief vom 22. März 2023 wendet sich die Beigeordnete für Verkehr, Transport und Luftqualität, Melanie Van den Hoorst, an die Mitglieder des Amsterdamer Stadtrates. Darin weist sie darauf hin, dass mit verschiedenen Maßnahmen versucht wird, die Sicherheit auf Amsterdams Straßen und Radwegen zu verbessern. Konkret nennt Frau Van den Hoorst dabei:

  • die Ende 2022 umgesetzte Einführung von Tempo 30 km/h auf (weiteren) 300 Streckenkilometern Straßen im Stadtbereich Amsterdams
  • eine Verbreiterung von Radwegen und Verbesserung von Infrastruktur für Fahrräder und Fußgänger*innen
  • gestiegene Unfallzahlen mit E-Bikes, Lastenrädern und E-Scootern, verursacht durch die starke Zunahme dieser Fahrzeuge
  • die Notwendigkeit der Prüfung einer Höchstgeschwindigkeit auf Radwegen
  • die Befürchtung, ein Gefühl von Unsicherheit könne Menschen vom Radfahren abhalten
  • die fehlende gesetzliche Grundlage für separate Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Radwegen, abweichend von der auf der angrenzenden Straße

Wir arbeiten daran, Radwege zu verbreitern und die Stadt fahrradfreundlicher und sicherer zu machen.

M. Van den Hoorst – Beigeordnete für Verkehr, Transport & Luftqualität, Amsterdam

Die Verkehrsbeauftragte beschreibt weiterhin ein Pilotprojekt, in dem E-Bike Fahrenden freigestellt wird, mit bis zu 20 km/h auf einem fakultativen Radweg oder mit bis zu 30 km/h elektrisch unterstützt auf der Straße daneben fahren zu dürfen, sowie technische Lösungen, etwa mit Geofencing zusätzliche Aufmerksamkeit für Tempolimits bei Nutzer*innen von LEV (Light Electric Vehicles) an bestimmten unfallträchtigen Streckenabschnitten zu schaffen.

Ein schneller E-Biker wird so ermutigt, auf der Straße zu radeln oder auf dem Radweg seine Geschwindigkeit zu reduzieren, was zu einer Erhöhung der Verkehrssicherheit auf Radwegen führen soll.

Ein separates Tempolimit auf Radwegen, abweichend vom Tempolimit der daneben verlaufenden Straße ist in der nationalen Niederländischen Gesetzgebung nicht vorgesehen. Um solche Radwege-spezifischen Regelungen einführen zu können, beschreibt Melanie Van den Hoorst, müsste dafür zunächst eine Grundlage auf nationaler Ebene geschaffen werden.

Tempolimits in den Niederlanden – eine Übersicht

In den Niederlanden dürfen Mopeds (niedlichstes Niederländisches Wort: „Bromfietsen“) mit ihrer erlaubten Geschwindigkeit von 45 km/h erst seit 2019 nur noch mit Helm und innerorts nicht mehr auf Radwegen gefahren werden. Außerhalb geschlossener Ortschaften ist ihnen die Benutzung der „Fiets/Bromfietspade“ sogar bis heute erlaubt. S-Pedelecs dürfen in den Niederlanden 45 km/h auf der Straße, 40 km/h auf den Rad- und Mopedwegen außerorts und 30 km/h schnell auf innerstädtischen Radwegen unterwegs sein.

Seit Amsterdam im Jahr 2019 die Maßnahme ergriffen hat, Mopeds auf die Fahrbahn zu verlegen, ist die Zahl der Unfälle auf Radwegen zurückgegangen.

Melanie Van den Hoorst

Interessant: Ausdrücklich gilt die Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h innerorts in den Niederlanden nur für den motorisierten Verkehr  – und nicht für Fahrräder. Nur dort, wo diese auf 30 km/h reduziert ist, gilt dieses Tempolimit für alle Verkehrsteilnehmenden.

Was denkst du über die Regeln für den Radverkehr in Amsterdam?

Titelbild: Ugur Arpaci auf Unsplash  

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