Pedelecs sind eine recht neue, sehr vielfältige – und bislang nur unzureichend kategorisierte Fahrzeuggattung: Pedelecs, S-Pedelecs und besonders die sogenannten Lasten-Pedelecs, welche oft genug auch Personen transportieren, sollen nun europaweit in neue standardisierte Fahrzeugklassen eingegliedert werden.

EU-Kommission arbeitet an Neuordnung

Sind Pedelecs bald keine Fahrräder mehr? Diese Frage beschäftigt die Fahrradbranche seit dem letzten Jahr. Hintergrund ist eine Neuordnung der Fahrzeugkategorien, welche die Europäische Kommission aufs Tapet brachte. Dabei im Fokus: das Pedelec. Bisher haben die nur bei Tretunterstützung elektrifizierten Bikes eine Sondergenehmigung, weshalb sie rechtlich als Fahrräder und nicht als Kleinkraftrad bzw. Light Electric Vehicle (LEV) gelten. In Zukunft wird das für den Großteil der Fahrzeuge auch so bleiben, wie Markus Riese, Gründer und Gesellschafter beim E-Bike-Spezialisten Riese&Müller, erklärt:

Erste Studien haben als klares Ergebnis gezeigt, dass das E-Bike in seiner momentanen Form sicher ist und keine zusätzlichen Regularien benötigt. Es wäre sogar kontraproduktiv, wenn eine Typengenehmigung kommt.

Markus Riese, Riese & Müller

Noch gar nicht so lang auf unseren Straßen unterwegs: Pedelecs und Lastenräder.
# Noch gar nicht so lang auf unseren Straßen unterwegs: Pedelecs und Lastenräder. - Bildquelle: www.pd-f.de / Luka Gorjup | Lux Fotowerk
Die neue Fahrzeuggattung gleichermaßen beliebt, …
# Die neue Fahrzeuggattung gleichermaßen beliebt, … - Bildquelle: www.flyer-bikes.com | pd-f
… wie auch vielfältig.
# … wie auch vielfältig. - Bildquelle: www.hpvelotechnik.com | pd-f

Europaweit gültige Pedelec-Fahrzeugklassen benötigt

Das bestätigt Tim Salatzki, Leiter Technik und Normung beim Zweirad-Industrie-Verband (ZIV):

Die Freiheit des Fahrrads soll erhalten bleiben, aber man muss schauen, wie man die gesetzlichen Rahmen dafür besser anpassen kann.

Gerade wenn neue Fahrzeugtypen auf den Markt kommen, brauche es europaweit einheitliche Fahrzeugklassen, um sichere und umsetzbare Regeln zu schaffen und dadurch die Sicherheit der Produkte zu gewährleisten. Deshalb dreht sich die Diskussion auf europäischer Ebene gerade um zwei Kernthemen für die künftige Mobilität: Lastenrad und S-Pedelec.

Lasten-Pedelecs im Fokus

Lastenräder sprengen die aktuellen Standardisierungsfragen. Es gibt beispielsweise noch keine Regulierung für das Gesamtgewicht oder die Länge von Lastenrädern.

Arne Behrensen, Cargobike.jetzt

Arne Behrensen, Geschäftsführer der Internetplattform Cargobike.jetzt und Fachmann rund um das Thema meint, Lastenräder böten große Chancen bezüglich neuer Räume und Perspektiven beim Liefer- und Privatverkehr. Das Problem: Unter dem Begriff Lastenrad werden momentan viele Produkte subsumiert, die kaum einen Bezug zueinander haben: Die Terminologie ist laut Ansicht der Experten irreführend, denn es gehe neben Lastentransport auch um die Beförderung von Kindern und Personen. Hierfür, beispielsweise für den Transport von Kleinkindern, gibt es bisher keine Standards, was aber für den erfolgreichen Fortgang des Themas als absolut sinnvoll zu erachten sei und deshalb auch auf die europäische Ebene gehöre.

Pedelecs und Lastenpedelecs können sehr unterschiedliche Formen annehmen.
# Pedelecs und Lastenpedelecs können sehr unterschiedliche Formen annehmen. - Bildquelle: www.r-m.de | pd-f
Und längst nicht jedes Lastenrad …
# Und längst nicht jedes Lastenrad … - Bildquelle: www.r-m.de | pd-f
… transportiert auch Lasten.
# … transportiert auch Lasten. - Bildquelle: www.abus.de | pd-f

Der Vorschlag stehe deshalb im Raum, in Zukunft zwei unterschiedliche Gewichtsklassen von Lastenrädern einzuführen. Eine soll bis max. 300 Kilogramm und eine bis 550 bzw. 600 Kilogramm Gesamtgewicht gelten. Da ein derart schweres Lastenrad kaum mit einem 250-Watt-Motor angetrieben werden kann, sind auch hier Änderungen bei der Typisierung einzuplanen, wie Behrensen bestätigt: „Bei der Gruppe ist die Frage berechtigt, ob es sich wirklich noch um ein Fahrrad handelt und Radwege benutzt werden dürfen. Die Diskussion muss aber geführt werden.“ Und Markus Riese ergänzt: „Wo ist der Verkehrsraum für diese Fahrzeuge? Hier muss noch viel Praxiserfahrung gesammelt werden. Aber das Feld hat ein enormes Potenzial.“ Dabei geht es in erster Linie jedoch um gewerbliche Anwendungen. Für die private Nutzung mit Gesamtgewichten bis 300 Kilogramm werde sich hingegen kaum etwas ändern, vermuten die Experten.

S-Pedelecs auf Radwege?

Viele der Fragen, die sich beim Lastenrad stellen, lassen sich auf den Bereich der bis zu 45 km/h schnellen S-Pedelec übertragen. Die flinken Elektroräder gelten bisher als Kleinkraftrad und dürfen deshalb in Deutschland z.B. nicht auf Radwegen gefahren werden; außerdem brauchen sie ein Versicherungskennzeichen. In Bezug auf die Verkehrswende wird den Fahrzeugen jedoch eine wichtige Rolle und große Zukunft prognostiziert. Dafür müssten jedoch die Rahmenbedingungen stimmen.

 

Radwegnutzung trotz Kennzeichenpflicht? Die Zukunft der S-Pedelecs hängt auch von den Entscheidungen aus Brüssel ab.
# Radwegnutzung trotz Kennzeichenpflicht? Die Zukunft der S-Pedelecs hängt auch von den Entscheidungen aus Brüssel ab. - Bildquelle: www.haibike.de | pd-f

Die aktuellen Regelungen behindern jedoch die Weiterverbreitung der Fahrzeuge in vielen Teilen Europas, so die Meinung der Experten. Markus Riese bezeichnet die Regelungen gar als „praxisfremd“. Ausnahmen sind Belgien und die Schweiz, wo den S-Pedelecs die Radwegenutzung erlaubt ist – und deshalb die Verkaufszahlen deutlich höher sind als in Deutschland. In der EU-Kommission gäbe es daher bereits Überlegungen, „wie man die Klasse der S-Pedelecs anfassen kann, um die Nutzung zu erleichtern“, berichtet Salatzki. „Das Problem besteht nicht darin, dass S-Pedelecs als Krafträder eingestuft werden, das Problem ist die Straßenverkehrsordnung“, so Markus Riese. Sein Vorschlag: Die Entscheidung über eine Radwegenutzung sollte den Kommunen überlassen werden. So hat etwa die Stadt Tübingen aufgrund einer Sonderregelung in Baden-Württemberg Teile des Radwegenetzes für S-Pedelecs freigegeben.

Jegliche Änderungen sollten jedoch praxis- und vor allem zukunftsorientiert sein. Breite Mountainbike-Lenker oder die Fahrzeugbreiten von Lastenrädern müssten ebenso bei der Planung und Konzeption von Radwegen berücksichtigt werden, wie Fahrzeuge für Menschen mit Handicap, die oft dreirädrig sind. Alexander Kraft, Pressesprecher beim Liegeradanbieter HP Velotechnik appelliert:

Solche Fahrzeuge können bei Reglementierungen schnell einmal durchrutschen, weil sie nicht im Fokus stehen. Deshalb gilt es, den Blick zu erweitern, damit jede Anwendung berücksichtigt wird.

E-Mountainbikes: Breite Lenker brauchen breite Radwege.
# E-Mountainbikes: Breite Lenker brauchen breite Radwege. - Bildquelle: www.flyer-bikes.com | pd-f

Standardisierung ist keine Regulierung

Auf EU-Ebene werden in den nächsten Monaten immer wieder Untersuchungen durchgeführt, die Auswirkungen und Änderungen mit sich bringen könnten. Tim Salatzki warnt jedoch davor, dass auch die Gefahr von Neuregelungen besteht, die der Fahrradbranche nicht guttun können. Darauf müsse sich die Branche vorbereiten und mit richtigem Input beitragen, dass Elektrofahrräder ein Baustein der Verkehrswende bleiben. Die jetzt angestoßene Standardisierung für neue Fahrzeugklassen wird vermutlich noch rund drei Jahre dauern, bevor Entscheidungen fallen. „Das wird den Markt nicht behindern, sondern für mehr Klarheit sorgen, dass Fahrzeuge passend entwickelt werden“, so Salatzki. „Standardisierung ist keine Regulierung“, ergänzt Behrensen, der ebenfalls darauf setzt, dass durch klare Vorgaben mehr Möglichkeiten gerade für Lastenräder entstehen. Für den Großteil der Pedelec-Fahrer:innen werde sich, Stand jetzt, jedoch nichts ändern.

S-Pedelecs auf Radwegen – Pro oder Contra?

Infos: Thomas Geisler, pressedienst-fahrrad
  1. benutzerbild

    arno¹

    dabei seit 03/2022

    Eine übergreifende Regelung wäre ganz sinnvoll, insbesondere auch EU-weite Fahrprüfung, Helmpflicht, etwas Versicherung.

    Zum Beispiel aus diesem Grund:

    "Besonders auffällig: Dreiviertel der tödlich verunglückten Pedelec-Fahrer waren über 65 Jahre alt. "Ich glaube, es hat damit zu tun, dass sich sehr viele ältere Menschen Pedelecs zulegen", sagte Innenminister Herbert Reul (CDU). Diese seien aber nicht darin geübt, so schnell zu fahren. [...]

    Bislang sind weder das Tragen eines Helms noch das Absolvieren eines Pedelec-Fahrkurses vorgeschrieben. Der Innenminister und der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) empfehlen beides dringend. Ein Sprecher des ADFC forderte zudem einen schnelleren Ausbau der Radwege in NRW, um die Verkehrssicherheit zu verbessern."

    https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/pedelec-unfaelle-106.html

  2. benutzerbild

    arno¹

    dabei seit 03/2022

    Eine übergreifende Regelung ist aus folgenden Gründen sinnvoll:

    https://ebikespass.de/andere-laender-andere-e-bike-sitten/
    Auch ist nicht wirklich nachvollziehbar, warum es in DE für Mofas und Pedelecs Unterschiede in Bezug auf Fahrkenntnisse und Helmpflicht, Versicherung geben soll.

    Die Radwegebenutzung sollte sich zwischen 25 km/h Mofa und 25 km/h Pedelec eigentlich nicht unterscheiden. Aus verschiedenen Gründen.

    Natürlich wäre es gut, wenn man Städte auf 30 km/h runterregeln würde und Pedelecs und Mofas auf 30 km/h erlauben würde. Mofas werden außerdem sowieso aussterben.

  3. benutzerbild

    BigMaaaac

    dabei seit 04/2022

    bei uns (Landkreis HM) sind nurnoch die HauptRouten durch die Städte über 30 Km/h,
    der Rest sind schon 30er-Zonen und Spielstrassen.

    und ganz ehrlich,
    das Problem bei "über 30 km/h Strassen" sind deren Verkehrsführungen.

    und diese lustigen, kaum wahrnehmbaren PopupRadWege im mittleren Spurverlauf an grossen Kreuzungen,
    die Radfahrern ohne ortliche Kenntnis mehr Sicherheit vorgaukeln als sie bieten.

    und eine Haftpflicht-Versicherung sollte man immer haben,
    wenn man draussen schneller als Laufgeschwindigkeit eigenständig unterwegs ist.
    wo ist der Unterschied zwischen Fahrrad/Pedelec und Mofa ?!

    einen generellen Führerschein, oder andere Auflagen/Pflichten für Pedelecs halt ich allerdings für eher der Verkehrswende bremsend.

    aber ein Empfehlung/Hinweis des Fahrradhändler beim Erwerb eines Fahrrades über einen EinsteigerSicherheitskurs und Einhaltung der StVO zwingend zu machen vll einen Weg.
    dann denk auch jeder Erwachsene selber drüber nach ob ein Helm vll doch sinnvoll ist.

    einfach mal Eigenverantwortung geben.

  4. benutzerbild

    Fred

    dabei seit 03/2024

    Nee... Hauptgrund der Gefahr aus meiner Sicht sind die 25 km/h.
    Weil man als Autofahrer gerade in 30er Zonen dahinter doch eigentlich immer dran vorbei möchte.
    Dann muss man noch den Sicherheitsabstand einhalten.

    Ist genau dasselbe bei Rollern und deren dämliche 45 km/h Beschränkung.
    Eine Schwalbe mit 60 schwimmt mit. So muss das geregelt sein.

    Man kann den Verkehr auch ohne Einschränkungen flüssiger und entspannter gestalten.

    Oder mal ein ganz anderer Ansatz: Mehr Tempo 25km/h (oder 20km/h) Zonen in den Innenstädten... die Unfallquote mit 25km/h Ebikes ist ja so schon sprunghaft angestiegen, die jetzt schneller zu machen halte ich für zu gefährlich auch wenn ich mir beim eigenen Lastenradl auch gern mal 30 - 35 wünschen würde.

    Schöner Nebeneffekt: Weniger Lärm, weniger Abgase, mehr Anreiz zum Radfahren
  5. benutzerbild

    Ruppie

    dabei seit 06/2023

    Ich verstehe die Diskussion nicht : Sinnvolle Geschwindigkeitsbegrenzungen mal außer acht gelassen,
    aber ein einem mündiger Pedelec- oder S-Pedelc Fahrer sollte man schon zutrauen das er einschätzen kann wenn ein Weg oder eine Verkehrssituation ungeeignet für bestimmte Geschwindigkeiten ist.
    Ist wie im normalem Straßenverkehr doch ohnehin so unabhängig vom Verkehrsmittel. Die übliche Idioten werden keine Bestimmungen der Welt erreichen. Das ist aber auch immer schon so gewesen ;-)

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